Meine Top-10 Business-Bücher für 2020
Welche Titel mich durch dieses bemerkenswerte Jahr begleitet haben
Hallo zusammen & Willkommen bei Hirnbrise. Als ersten Beitrag habe ich die Bücher zusammengestellt, die mich in diesem Jahr besonders beeindruckt, unterhalten oder nachdenklich gemacht haben. Wir ihr gleich sehen werdet, ist das eine bunt zusammengestellte, sehr subjektive Mischung von Titeln, auf die ich in diesem Jahr aus irgendeinem Grund aufmerksam geworden bin.
1. Im Grunde gut (Rutger Bregman)
Anfang des Jahres hatte ich sehr viel Freude am neuen Buch von Rutger Bregman - dem niederländischen Historiker, der in einem viel beachteten Statement während des Weltwirtschaftsgipfels in Davos 2019 die Doppelmoral der Teilnehmer entlarvte. In “Humankind” (der englische Titel ist sehr viel passender als der deutsche) vertritt er die Ansicht, dass die Menschheit grundsätzlich eine hilfsbereite, friedliche Spezies sei und nur in besonderen Ausnahmesituationen zu Grausamkeit neige. Den Beweis führt er vor allem, indem er die Studien und Experimente als falsch entlarvt, die diese Sicht in den letzten Jahrzehnten zementiert haben: das Stanford-Prison-Experiment (Wächter vs. Gefangene), das Milgram-Experiment (mit den Elektroschocks) oder etwa die oft zitierte Broken-Windows-Theorie.
Wer einmal sein Weltbild kräftig erschüttern lassen möchte, und das von einem selbstkritischen, ruhig und sachlich argumentierenden Fachmann, der ist bei diesem Buch sicherlich an der richtigen Adresse.
2. Große Erwartungen (Geert Mak)
Der Niederländer Geert Mak ist bekannt als renommierter und sprachgewaltiger Publizist. In seinem neuen Buch wirft er einen genauen Blick auf Europa seit dem Jahrtausendwechsel und spannt einen großen Bogen von der Finanzkrise über den Brexit hin zur europäischen Migrationspolitik. Dankenswerterweise reiht er dabei nicht nur Zahlen, Daten und Fakten aneinander, sondern nimmt die Leser unter anderem mit in einen Schlafsaal auf Lampedusa, zu isländischen Fischern, einem Flugzeugabsturz in Smolensk und dem Majdan in Kiew. So dokumentiert er anschaulich - und dabei entspannt und unideologisch - welche wichtigen Ereignisse es an verschiedenen Orten innerhalb der Union gegeben hat und wie sie sich zu einem großen Ganzen zusammenfassen lassen. Die unterhaltsamste und informativste Geschichtsstunde, die ich seit langer Zeit genießen durfte.
3. Thinking in Systems (Donella H. Meadows)
Mit Systemtheorie war ich bis zur Lektüre dieses Buchs nur sporadisch in Berührung gekommen, und empfand die ruhige, unprätentiöse Art, in das Thema einzuführen, als sehr angenehm. Im Kern geht es bei Meadows darum, systemische Zusammenhänge für Phänomene etwa in Gesellschaft oder Wirtschaft zu erforschen. Anhand des kommerzieller Fischfangs zeigt die Autorin beispielsweise, wie die Beziehungen zwischen Marktpreis, Regenerationsrate und Effizienz der eingesetzten Technologie das System durch bremsende oder verstärkende Feedback-Loops im Gleichgewicht halten – oder eben nicht. Meist sind es eben nicht lineare Prinzipien von Ursache und Wirkung, vielmehr geht es darum, wie sich einzelne Komponenten des Systems untereinander beeinflussen.
4. Originals (Adam Grant)
Der Psychologe Adam Grant beschäftigt sich mit der Frage, wie es Menschen gelingt, Ideen zu entwickeln und andere für ihre Sache zu begeistern. Er beleuchtet beispielsweise, warum die Fernsehserie "Seinfeld" wider Erwarten erfolgreich war, während das Elektro-Vehikel "Segway" wider Erwarten floppte. Außerdem beobachtet er, dass Menschen neue Ideen und Konzepte tendenziell zu wenig kommunizieren und erläutert am Beispiel von Martin Luther King, warum Prokrastination nicht zwangsläufig schlecht sein muss.
5. Realitätsschock (Sascha Lobo)
Sascha Lobo, war das nicht der mit dem roten Bürstenhaarschnitt, der oft gesehene, oft zitierte Erklärbär alles Digitalen, der uns seit ziemlich genau der Zeit begleitet, als das Internet laufen lernte? Jein. Schon seit vielen Jahren ist er für mich einer der eloquentesten Publizisten, der gesellschaftliche Debatten unter anderem in seiner monatlichen Spiegel-Kolumne mit seinen präzisen Analysen bereichert.
Als „Realitätsschock“, zu dem er im letzten Jahr ein Buch gleichen Titels vorgelegt hat, bezeichnet er das Aufgeben jahrzehntealter Gewissheiten aufgrund der Konfrontation mit einer „Überdosis Weltgeschehen und Komplexität“. Zur Veranschaulichung nimmt er sich zehn Themengebiete vor – etwa den Klimawandel, Migration und Integration, Rechtsruck aber auch Gesundheit und soziale Medien – und beschreibt, welche Dynamik sich dort in den letzten Jahren vollzogen hat, vornehmlich bedingt durch Globalisierung und Digitalisierung. „Realitätsschock“ ist unterhaltsam und verstörend zugleich, liefert Hintergrundinformationen und stellt wichtige Zusammenhänge her. Ein interessantes Weltbild-Update.
6. mindset (Carol S. Dweck)
Vor langer Zeit, als ich nach meinem Berufswunsch gefragt wurde, sagte ich so etwas wie „wenn‘s besser bezahlt würde, würde ich mein Leben lang studieren.“ Lebenslanges Lernen, damals wie heute mein beständigster innerer Antrieb. Und damit sind wir schon mittendrin in Carol Dwecks „mindset“. Die Psychologin beschreibt den Unterschied zwischen „fixed mindset“ und „growth mindset“, also verschiedenen Denkweisen, die Menschen in unterschiedlichen Situationen und Lebensbereichen haben können. Während „fixed“ bedeutet, die eigenen Fähigkeiten, die eigene Intelligenz als statisch zu begreifen, gehen „growth“-orientierte Menschen davon aus, sich durch strukturiertes und beständiges Lernen weiterentwickeln zu können. Sie erläutert dies an vielen Beispielen für das Berufsleben, konzentriert sich aber vor allem auf Schüler und Studenten und Strategien, die „growth“-Variante im Lehr- und Lernbetrieb zu fördern. Ein Buch, das Augen öffnet und motiviert.
7. Influence (Robert B. Cialdini)
Wer hat sich schon einmal mit einem Zeitschriften-Abonnement wiedergefunden, das er eigentlich gar nicht hatte abschließen wollen? Wer hat schon mal ein Küchenutensil oder gar ein Auto gekauft, weil man der Verkäuferin nichts abschlagen konnte? Und wer hat schon einmal unterwegs in den Himmel geschaut, weil es alle Passanten auch getan haben? Dies sind nur einige der Beispiele, die Robert Cialdini in „Influence - The Psychology of Persuasion“ anführt. Ihnen allen liegen Verhaltensweisen zugrunde, die in unserem Unterbewusstsein verdrahtet sind und die unser alltägliches Handeln bestimmen. Beispiel „Reciprocation“:erhalten wir etwa ein kleines Geschenk, fällt es uns schwer, dem Schenkenden danach nicht ebenfalls einen bestimmten Wunsch zu erfüllen. Oder „Social Proof“: auch wenn künstliches Lachen bei Sitcoms im Fernsehen klar als solches zu erkennen ist, finden wir das Gezeigte durch die akustische Stimmungsbeigabe insgesamt lustiger - eben weil scheinbar alle um uns herum lachen.
Für Marketing-Profis ist „Influence“ sicher eine willkommene Inspirationsquelle. Für den Rest liefert der Autor dankenswerterweise auch Strategien, mit denen wir uns zumindest vor den offensichtlichen Manipulationsversuchen schützen können.
8. The Culture Map (Erin Meyer)
In diesem Titel geht die Autorin der Frage nach, ob sich kulturelle Unterschiede verschiedener Länder so systematisieren lassen, dass sich daraus mögliche Konflikte frühzeitig erkennen und möglichst vermeiden lassen.
Erin Meyer schlägt insgesamt acht Achsen vor, auf denen sich einzelne Länder beschreiben lassen, wie beispielsweise direkte vs. indirekte Kommunikation, direkte vs. indirekte Kritik, unterschiedliches Zeitempfinden und die Bereitschaft zur Vermischung von privaten und geschäftlichen Beziehungen. Wenn also etwa ein Australier in sehr direkter Sprache einen Sachverhalt schildert, mag das für eine Koreanerin viel zu platt und offensichtlich sein. Und während etwa eine Dänin wahrscheinlicher faktenorientiert eine Geschäftsbeziehung aufbaut, wird ein indischer Partner mehr Wert auf den Aufbau von persönlichem Vertrauen legen.
Meyer betont, dass es hier nicht um absolute Verortungen geht, sondern um relative Beziehungen zueinander. In vielen unterhaltsamen Anekdoten beleuchtet sie, welche Missverständnisse in multikulturellen Teams auftreten können und wie einfach sie entschärft werden können. Bei mir kam es oft zu „Aha“-Effekten, auch deswegen möchte ich euch das Buch wärmstes empfehlen.
9. Drive (Daniel H. Pink)
Das letzte Kapitel von „Drive“ besteht aus Zusammenfassungen des Buchs in verschiedenen Längen. Die Twitter-optimierte Variante lautet: „Carrots & sticks are so last century. Drive says for 21st century work, we need to upgrade to autonomy, mastery and purpose.“ Es geht also darum, was uns beruflich und privat antreibt, genauer gesagt den Unterschied zwischen extrinsischer Motivation, bei der es meist um mehr Geld für erledigte Arbeit geht - und intrinsischer Motivation, bei der Faktoren wie Unabhängigkeit, Entwicklung des eigenen Könnens und Sinnhaftigkeit der Aufgabe eine Rolle spielen. Letzteres klappt viel besser, und irgendwie hat man‘s als Leser geahnt. Der Autor ist fleißig, zitiert Forscher und Experimente, liefert eine Literaturliste und eine „Toolbox“ mit Praxistipps für die richtige Motivation.
10. Antifragilität (Nassim Nicholas Taleb)
Der ehemalige Finanzanalyst, Philosoph und Statistiker Nassim Taleb schreibt pompös, nimmt den Leser mit auf einen Ritt durch Jahrtausende Philosophie- und Wissenschaftsgeschichte, legt sich dabei vor allem mit Medizinern und Wirtschaftswissenschaftlern an und wirft dabei so mit Fachvokabular um sich, dass einem Angst und Bange wird. Seine zentrale These: es gibt eine Triade von Fragilität (alles was zerbrechlich ist), Robustheit (alles, was widrigen Einflüssen bis zu einem gewissen Grad standhalten kann) und Antifragilität (eigener Begriff, der Objekte oder Systeme beschreibt, die durch Widrigkeiten sogar noch besser werden). An der Reaktion auf sogenannte „Stressoren“ - Naturkatastrophen, Finanzkrisen, etc. - und der Toleranz für Volatilität lasse sich erkennen, zu welcher der drei Kategorien ein System gehört.
Mit dieser Zusammenfassung allein wird man dem Text aber nicht gerecht, der neben einem Glossar auch noch einen Anhang mit statistischen Berechnungen enthält und in einer Reihe mit anderen, ähnlich opulenten und erfolgreichen Werken desselben Autors steht wie „The Black Swan“ oder „Skin in the Game“.
Von all den Büchern auf der Liste ist “Antifragilität” der Titel, der in diesem Jahr am meisten von Freund*innen und Kolleg*innen erwähnt und zitiert wurde - nicht zuletzt auch deswegen, weil die Grundaussage sich so treffend im COVID-19-Kontext diskutieren lässt.
Das waren also meine Top10 für 2020. Ich hoffe, ich konnte euch ein paar Tips für eure Leseliste geben und bin neugierig: Welche Bücher haben euch in diesem Jahr am besten gefallen?