"Die Große Beschleunigung" von Christian Stöcker
Neue Technologien und Denkwerkzeuge für eine Welt im radikalen Wandel
Der Autor
Christian Stöcker ist Psychologe, Journalist und Autor. Er leitet den Studiengang Digitale Kommunikation an der HAW Hamburg und schreibt regelmäßig Kolumnen für Spiegel Online. Stöcker hat sich in den vergangenen zwölf Monaten intensiv mit den Auswirkungen der digitalen Transformation auf Gesellschaft und Politik beschäftigt und ist ein gefragter Experte in den Debatten um künstliche Intelligenz und digitale Ethik.
Der Weg zum Buch
Das Buch ist als Geburtstagsgeschenk auf meinem Nachttisch gelandet. Schon von Stöckers Männer, die die Welt verbrennen beeindruckt, griff ich gespannt zu.
Das Buch
In Die Große Beschleunigung (2022) (ursprünglich 2020 unter dem Titel "Das Experiment sind wir" erschienen) zeichnet Christian Stöcker ein faszinierendes Bild der rasanten technologischen Entwicklung unserer Zeit. Er argumentiert, dass wir uns in einer Phase exponentiellen Fortschritts befinden, die unser Leben in allen Bereichen grundlegend verändert. Von künstlicher Intelligenz über Biotechnologie bis hin zu erneuerbaren Energien - Stöcker zeigt, wie diese Technologien zusammenwirken und welche Chancen und Risiken sie bergen. Besonders hervorzuheben sind die lesenswerten Exkurse, die er in jedes Kapitel einfügt. Diese Exkurse liefern zusätzliche Fakten und vertiefen einzelne Themen, so dass der Leser einen noch umfassenderen Einblick in die komplexe Materie erhält.
Das Buch beginnt mit einer Analyse der "exponentiellen Gegenwart". Der Autor erklärt anschaulich, wie sich Technologien nicht linear, sondern exponentiell entwickeln und warum unser Gehirn solche Entwicklungen nur schwer intuitiv erfassen kann. Er zieht Parallelen zur COVID-19-Pandemie, die vielen Menschen zum ersten Mal die Macht des exponentiellen Wachstums vor Augen geführt hat.
Ein zentrales Thema des Buches ist die künstliche Intelligenz. Stöcker beleuchtet die jüngsten Durchbrüche auf diesem Gebiet, von GPT-3 bis AlphaFold, und diskutiert deren mögliche Auswirkungen auf Arbeitswelt, Bildung und Gesellschaft. Er warnt vor den Gefahren einer unkontrollierten KI-Entwicklung, zeigt aber auch die enormen Chancen auf, die diese Technologie bietet.
Besonders interessant ist Stöckers Analyse der sozialen und politischen Folgen dieser Beschleunigung. Er argumentiert überzeugend, dass unsere demokratischen Systeme und Entscheidungsprozesse oft zu langsam sind, um mit dem Tempo des technologischen Wandels Schritt zu halten. Gleichzeitig warnt er vor den Gefahren von Desinformation und Manipulation in der digitalen Welt.
Warum dieses Buch lesenswert ist
In einer Zeit, in der KI-Systeme wie ChatGPT Schlagzeilen machen und die digitale Transformation alle Lebensbereiche erfasst, bietet "Die große Beschleunigung" wertvolle Orientierung. Stöcker gelingt es, die komplexen Zusammenhänge zwischen technologischem Fortschritt und gesellschaftlichem Wandel verständlich darzustellen, ohne in Techno-Utopismus oder Kulturpessimismus zu verfallen.
Christian Stöcker gelingt damit dreierlei, was ihn von vielen Sachbuchautoren der Gegenwart unterscheidet. Erstens kann er selbst die abstraktesten Themen bildhaft, unterhaltsam und humorvoll beschreiben. („Ach ja, früher. Damals, als Mensch und Säbelzahntiger noch Hand in Pfote über naturbelassene Blumenwiesen sprangen. Als man sich gelegentlich ein Mammut am Spieß briet, von dem die Sippe dann wochenlang satt wurde“). Er schreibt auch als Psychologe und lässt immer wieder einfließen, dass Menschen keineswegs rational sind und sich von den verschiedensten Verzerrungen („Biases“) täuschen lassen. Und schließlich ist er kein Mahner, sondern geht konstruktiv und pragmatisch an die Themen heran, zeigt Lösungsansätze auf und steckt den Kopf nicht in den intellektuellen Sand.
"Die große Beschleunigung" ist Weckruf und Kompass zugleich - ein Muss für alle, die die digitale Zukunft nicht nur erleben, sondern aktiv mitgestalten wollen. Prädikat: Augenöffnend, brisant und dringend notwendig!