„Ein verheißenes Land“ von Barack Obama
Von den ersten Schritten in der Politik bis zum Oval Office
1,2 Kilo schwer und 1000 Seiten lang: die Memoiren des 44. Präsidenten der USA sind nicht nur lese-orthopädisch eine Herausforderung. Begonnen habe ich mit der Lektüre im letzten Jahr, und ich hatte in den Osterferien endlich die Muße, es zu Ende zu lesen.
Der Autor
Barack Obama war von 2008 bis 2016 Präsident der USA und erhielt 2009 den Friedensnobelpreis.
Das Buch
In „Ein verheißenes Land“ (2020), erzählt Barack Obama von seiner Jugend, dem Jura-Studium und seinem Einstieg in die Politik. Er berichtet von seiner Arbeit als Senator, dem Wahlkampf zum Erreichen des höchsten politischen Amtes der Vereinigten Staaten und den ersten beiden Jahren seiner Präsidentschaft. Dabei beschreibt er nicht nur die innen- und außenpolitischen Herausforderungen, sondern gewährt auch immer wieder persönliche Einblicke in sein Privat- und Familienleben.
Im ersten Teil beschreibt Obama, wie er während seines Studiums seine spätere Frau Michelle kennenlernt, als Mitglied der Demokraten 1995 in den Senat des Bundesstaats Illinois einzieht und zehn Jahre später in den US-Senat gewählt wird. Er spricht darüber, wie er seine junge Familie - mittlerweile ist er Vater von zwei Töchtern - und seine politischen Ämter balanciert und erzählt detailreich, mit welchen Personen er wie und warum in verschiedenen Wahlkämpfen zusammenarbeitet.
Der nächste Teil „Yes we can“ beschäftigt sich mit Obamas Präsidentschaftswahlkampf, der im Februar 2007 beginnt und ihn knapp zwei Jahre später als ersten schwarzen Präsidenten ins Weiße Haus einziehen lässt. Er beschreibt dabei die Hochs und Tiefs des Vorwahlkampfs gegen Hillary Clinton sowie des eigentlichen Wahlkampfs gegen den republikanischen Kandidaten John McCain, und wir erfahren, wie er sich in dieser Phase mit der eskalierenden Krise des globalen Finanzmarkts beschäftigt.
In den vier übrigen Teilen fokussiert sich Obama auf die ersten beiden Jahre seiner aktiven Regierungsarbeit. Anfänglich stellt er sein Regierungsteam zusammen, bringt seine Gesundheitsreform auf den Weg, spricht über amerikanische Militäreinsätze wie dem in Afghanistan, und denkt - durchaus selbstkritisch - über die Rolle der USA auf der Weltbühne nach. Der ehemalige US-Präsident nimmt die Leser:innen mit auf G20-Gipfel, er schildert seine Sicht auf den Nahost-Konflikt, beschreibt das Ringen um das iranische Atomprogramm und berichtet von den Anfängen des Arabischen Frühlings. Im Inland beobachtet er das Erstarken der Tea Party, kommentiert die Fundamentalopposition der Republikanischen Partei und hat sogar ein paar Absätze über seinen Nachfolger Donald Trump im Gepäck.
Zwischendurch flechtet der Autor immer wieder persönliche Episoden ein, etwa wie er die Abende mit seinen Kindern genießt, der neue Hund Bo in das Weiße Haus einzieht und er erfolglos versucht, mit dem Rauchen aufzuhören.
Das Buch endet mit der Tötung Osama bin Ladens durch eine amerikanische Spezialeinheit im Mai 2011 und der Feststellung Obamas, dass dieses Ereignis für die amerikanische Bevölkerung nach zehn Jahren des Kriegs gegen den Terrorismus eine Katharsis war.
Warum man dieses Buch lesen und viel Zeit mitbringen sollte
Der Autor beschreibt sein Denken und seine Zweifel und verwendet viel Energie darauf, sorgfältige alle Personen zu erwähnen, die ihm in den verschiedensten Konstellationen begegnen, angefangen von Mitgliedern seines Wahlkampfteams bis hin zu internationalen Regierungschefs. Hier fällt auch auf, dass er gerne das Äußere und den Charakter seiner Gesprächspartner umreißt, wie etwa „er war in meinem Alter, aber seine schlanke Statur, die bescheidene Haltung und sein schelmisches Gesicht ließen ihn deutlich jünger wirken“. Was mir zunächst als nerviger Spleen erschienen ist, ergibt im Nachhinein Sinn, denn bei so vielen Zeitgenossen ist es sicherlich hilfreich, auf diese Weise für mehr Anschaulichkeit und Farbe zu sorgen.
„Ein verheißenes Land“ ist eine Mischung aus persönlichem Tagebuch, politikstrategischer Betrachtung und historischer Abhandlung, der man den Anspruch des Schreibenden anmerkt, als Vermächtnis für nachfolgende Generationen zu wirken. Obama pflegt dabei einen mäandernden, detailverliebten Stil, der passagenweise zu echter Langeweile führt - etwa wenn er jede Einzelheit bestimmter Gesetzesinitiativen erörtert.
Schreibt ein ehemaliger US-Präsident seine Memoiren (wir können damit rechnen, dass es einen weiteren Teil geben wird, schließlich hat er in diesem Buch erst ein Viertel seiner Amtszeit behandelt) ist das Ergebnis ohne Zweifel ein Zeitdokument. Leser:innen sollten sich aber bewusst sein, dass hier die jüngere Geschichte sehr durch die amerikanische Brille beschrieben wurde - was auch der wenig subtile Titel „Ein verheißenes Land“ vermuten lässt. Wer es aber mit einem „grain of salt“ liest, viel Zeit hat und dem Autor die eine oder andere Länge verzeiht, dem sei dieses Buch ans Herz gelegt.