„The Storyteller“ von Dave Grohl
Ein staunender Blick auf das Leben des "nicest guy in rock'n'roll"
Es ist mal wieder Zeit für etwas Autobiografisches. Und etwas Musik. Beides in bester Kombination findet man in neuen Buch des „nicest guy in Rock‘n‘Roll“. Turn it up. Listen with me.
Der Autor:
Dave Grohl war Schlagzeuger bei Nirvana und ist derzeit Sänger und Songwriter der Foo Fighters.
Das Buch:
In „The Storyteller - Tales of Life and Music“ (2021) versammelt Dave Grohl Episoden aus seinem Leben, deren Kern das Finden der eigenen Identität, die Liebe zur Musik und nicht zuletzt der Wert von Familie und Freundschaft ist.
In den ersten Geschichten beschreibt er seine Jugend in einer amerikanischen Kleinstadt nahe Washington. Früh verlässt der Vater die Familie, seine Mutter arbeitet unter anderem als Lehrerin und zieht Dave und seine Schwester alleine groß. Der Autor beschäftigt sich früh mit Musik, lernt Schlagzeug, indem er Kissen in seinem Zimmer rhythmisch bearbeitet und erlebt mit der Cousine sein erstes Punk-Live-Konzert, das ihn nachhaltig beeindruckt („This was the first day of the rest of my life“) und ihn einen Weg als Musiker einschlagen lässt.
Seine Musikerkarriere beginnt als 17-Jähriger in der Punk-Band „Scream“. Er beschreibt sehr anschaulich, wie sich das Leben „on the road“ anfühlt, wie die Band mit sehr wenig Geld über die Runden kommt und in Schlafsäcken auf biergetränkten Bühnen oder in Häusern von Fremden übernachtet. Nach einiger Zeit spielt bei Nirvana vor, die gerade einen Schlagzeuger suchen und beginnt damit ein sehr wichtiges Kapitel seines Lebens.
Anfangs ist Nirvana eine weitgehend unbekannte Band, die 1989 das erste Album „Bleach“ für $606 produziert und in kleinen Clubs in den USA spielt. Die Dinge ändern sich 1991 drastisch mit der Veröffentlichung des Albums „Nevermind“ und besonders des Musikvideos zu „Smells Like Teen Spirit“, das auf MTV in Dauerschleife läuft und aus der Underground-Band in Rekordgeschwindigkeit ein weltweit bekanntes musikalisches Phänomen macht. Der Autor beschreibt eindrücklich, wie sich das Publikum ändert und welche klaustrophobischen Szenen sich während den Konzerten abspielen. Die Zäsur erfolgt 1994 mit dem Selbstmord des Sängers Kurt Cobain. Grohl ist geschockt und verzweifelt, zieht sich zurück um den Tod des guten Freundes zu verarbeiten. Er berichtet von dieser Zeit sehr einfühlsam und schildert seine Trauer in bewegenden Worten.
Ein Jahr später gründet er die Foo Fighters gemeinsam mit einigen Freunden, und baut sie in bester DIY-Manier (eigenes Studio, eigene Plattenfirma) zu einer der weltweit bekanntesten Rock-Bands auf. Und auch hier verstecken sich viele spannende Geschichten. Grohl erzählt etwa von dem mittlerweile berühmten Konzert, bei dem er sich das Bein bricht, die Show jedoch trotz Schmerzen zu Ende spielt. Oder dem Jahr, in dem er unbedingt am Vater-Tochter-Ball seiner Kinder teilnehmen möchte und für ein paar Stunden mit seiner Familie aus Australien anreist, um am nächsten Tag wieder ein Konzert down under zu spielen.
Grohl wird spontan Schlagzeuger bei Iggy Pop und Tom Petty, gibt Konzerte im Weißen Haus. Paul McCartney zeigt seiner Tochter Akkorde auf dem Klavier, Joan Jett liest Gute-Nacht-Geschichten vor. Dieses Buch ist vollgepackt mit derartigen Episoden, die Leser staunen lassen, durch die aber auch immer wieder das Staunen des Autors durchscheint.
Warum man dieses Buch unbedingt lesen sollte
„Dad, I want to learn how to play the drums“ - dies ist der erste Satz der ersten Geschichte. Ich habe schon so manche Rock-Autobiografie gelesen, und etwa die von Phil Collins bereits in diesem Blog besprochen. Aber Grohls Buch ist anders. Es macht zunächst seinem Titel alle Ehre. Der Autor ist ein fantastischer Geschichtenerzähler. Mal einfühlsam und nachdenklich, mal humorvoll, immer ehrlich. Hier beschreibt jemand sein Leben nicht tagebuchartig von Alpha bis Omega, sondern konzentriert sich auf besondere Momente, die er dann in der gebührenden Tiefe beschreibt. Getragen wird das Buch von einem authentischen, selbstironischen Erzähler, der sich nicht sattleben kann und sich wie ein kleines Kind staunend durch sein Leben bewegt. Und Kind ist ein gutes Stichwort: Grohl beschreibt sich selbst zuerst als Vater und Ehemann. Blicken Rock-Größen wie Eric Clapton auf mehrfache, zerrüttete Ehen und eher problematische Beziehungen zu ihren Kindern zurück, beginnt er seine Geschichte mit dem Wort „Dad“.
„The Storyteller“ vermittelt uns eindringlich, wie wichtig es ist, seinen eigenen Weg zu gehen, seinen Idealen treu zu bleiben, sich selbst und anderen zu vertrauen und Dinge nicht für selbstverständlich zu nehmen. Ein witziges, bewegendes, unterhaltsames Buch, das es auch als Hörbuch gibt. Das sei hier erwähnt, weil Grohl auch ein begnadeter Vorleser ist, dem man sehr gerne zuhört.
Denkt dran, es ist bald Weihnachten! :)