Was wäre, wenn wir öfter unseren eigenen Standpunkt überprüfen würden, Fehler in unserem Denken zugäben und bessere Lösungen fänden?
Der Autor
Adam Grant ist ein amerikanischer Autor und Professor für Organisationsspsychologie.
Das Buch
In seinem Text „Think Again“ (2021) beschreibt Adam Grant, wie entscheidend die Fähigkeit ist, sich selbst und seine Annahmen von Zeit zu Zeit zu überprüfen, um nicht in alten Denkmustern zu verbleiben und zu erkennen, was man nicht weiß.
Der Autor beginnt „Think Again“ mit einer Anekdote über einen Feuerwehreinsatz in den Wäldern des US-Bundesstaats Montana. Eine Gruppe von Feuerwehrleuten wird von einem sich rasch nähernden Feuer überrascht und versucht vergeblich, den Flammen zu entkommen. Nur einer von ihnen entschließt sich zu bleiben, verbrennt das Gras um sich herum, entzieht dem Buschfeuer dadurch die Nahrung - und überlebt. Er handelt damit komplett gegen das gelernte Verhalten von Feuerwehrleuten. Seine Kameraden hingegen versuchen vergeblich, schwerbepackt mit ihren Werkzeugen dem Feuer zu entrinnen. Anhand dieses plakativen Beispiels erläutert Grant, wie oft wir Dinge tun, die wir schon immer so getan haben - und wie sprichwörtlich lebensrettend es sein kann, sich auf neues Denk-Territorium zu begeben.
Daraufhin erwähnt er drei Modi oder Berufe, in die wir seiner Ansicht nach eintauchen, wenn wir über Sachverhalte nachdenken oder sprechen. Wenn wir etwa in die Rolle der Predigerin schlüpfen, verteidigen wir unsere eigene, uns „heilige“ Position und versuchen mit Verve, andere ebenfalls davon zu überzeugen. Als Staatsanwältin versuchen wir stattdessen, Fehler im Denken anderer zu finden und Argumente ins Feld zu führen, diese zu entlarven. Schließlich ist eine Politikerin stets bemüht, ihr Publikum zu überzeugen und sozusagen Lobby-Arbeit für die eigene Position zu leisten. Allen diesen Modi ist gemeinsam: sie machen es zu leicht, seine eigene Überzeugung zu zementieren.
Adam Grant schlägt daher eine neue Rolle vor, in die wir von Zeit zu Zeit schlüpfen sollten, um uns für alternative Ansätze zu öffnen: die der Wissenschaftlerin. Es gehöre zum Selbstverständnis und zur beruflichen Praxis, sich als Wissenschaftler*In konstant zu hinterfragen, neugierig zu bleiben, Hypothesen zu überprüfen und seine Perspektive bei aktualisierten Daten und neuen Forschungsergebnissen anzupassen. In der Folge beschreibt er Episoden und Ansätze, die die Vorteile dieses Denkansatzes unterfüttern.
Er beschreibt etwa den Erfinder des Blackberry, der zu lange an einer echten Tastatur auf einem Mobilgerät festhielt und die Entwicklung neuer Smartphones verschlief. Er beleuchtet außerdem, wie wichtig kontroverse Diskussionen in der Sache sind, die jedoch die Diskutierenden nicht persönlich angreifen. Adam Grant beschreibt die absurd anmutende, vorurteilsbehaftete Rivalität zweier amerikanischer Baseball-Vereine und untersucht, welche Strategien es gibt, festgefahrene Diskussionen und problematische Standpunkte positiv zu beeinflussen.
Warum man dieses Buch lesen sollte
Ich könnte noch viel mehr schreiben. Wenn ich eines im Laufe meines kleinen, literarischen Hirnbrise-Experiments gelernt habe (für erfahrene Rezensenten wahrscheinlich eine Binse) ist es, dass je erkenntnisreicher und inspirierender ein Text ist, desto schwerer wird die Rezension, und je größer die Gefahr, das Buch einfach nachzuerzählen.
Einmal mehr zeigt sich, dass Sachbücher besonders dann spannend sind, wenn die Informationen, Erkenntnisse und Geschichten aus erster Hand stammen. Ich hatte viel Freude daran, von Adam Grant Episoden aus der eigenen Forschungspraxis zu lesen und ihm anhand eines klaren roten Fadens durch „Think Again“ zu folgen. Ein sehr empfehlenswerter Text.